Reisebericht Schweiz 2002

Dienstag, 6. August

Die Anreise

Mit dem EN 466, einem aus City-Night-Line-Wagenmaterial gebildeten, regulären EN, reise ich von Wien nach Sargans. Ich hatte einen Liegesessel («Sleeperette») reserviert, und das ist gut so, denn der Zug ist bummvoll. Bis Wels ist die Fahrt unruhig, neben mir ein permanent lauthals in einer der zahlreichen Sprachen, die in China gesprochenen werden, telefonierender Teenager; danach kehrt Ruhe ein – und noch nie habe ich in einem Zug so gut geschlafen; diese Liegesessel sind einfach genial, fast Hängemattenfeeling. So verpasse ich um ein Haar Sargans, wache erst auf, als der Zug gerade einfährt – es ist 5:24. Schlaftrunken taumle ich durch die Bahnsteig-Unterführung, auf dem Weg zum abseits gelegenen Gleis 7; die Anlage des Bahnhofes Sargans ist mir bis heute ein Rätsel: Es ist mir auch nach meiner Rückkehr 2 Tage später unerklärlich, wie die Gleise verlaufen. Wie auch immer, der R 8016, einer der sehr netten, allgegenwärtigen NPZ (RBDe 560) wartet schon dort, noch dunkel. Ich steige ein, bin nahezu alleine, nütze die Fensterscheibe als Spiegel für eine durchaus genussvolle Rasur. Man möchte ja auch zu dieser unwirtlichen Stunde wie ein Mensch aussehen ;-) Pünktlich fährt der Zug ab, und hinter Trübbach, dem ersten Haltebahnhof, lassen sich im Osten die ersten rosa Streifen auf einem ziemlich bedeckten Himmel wahrnehmen. Der Zug füllt sich von Halt zu Halt, und unauffällig geht die Fahrt bis St. Gallen. Die Lage des offensichtlich aus jüngerer Vergangenheit stammenden Bahnhofes Rorschach Stadt gefällt mir: Mitten in der Stadt und in ziemlicher Steigung.

Von St. Gallen nach Trogen und zurück

In St. Gallen verstaue ich meinen kleinen Koffer zunächst in einem Schließfach; der Preis dafür ist unverschämt: 4 Franken für ein kleines Fach. Und das sollte in den echten Großstädten noch übertroffen werden… Wie auch immer, auf dem Bahnhofsvorplatz ist um diese Zeit – es ist kurz vor 7 Uhr – richtig Trubel; Trolley- und Dieselbusse stehen gemischt an der fein angelegten zentralen Haltestelle. Dazwischen die Gleise der Trogener Bahn (TB), die hier allerdings seltsamerweise ohne Halt durchfährt. Ein wenig weiter westlich liegt der gemeinsame Bahnhof von Trogener und Appenzeller Bahn mit einer hübschen Hausdurchfahrt, die mich zum allerersten Foto der Tour motiviert – schwer aufzunehmen, weil noch finster. Ein bisschen sehe ich mich um; warte auf den nächsten Zug der Trogener Bahn, der 15 Minuten nach dem gerade abgefahrenen losfahren soll. Ein erster Blick auf die Appenzeller Bahn gleich neben an geht sich aus, wie auch auf die so vielfältigen Regionalbusse; sie stehen auf nummerierten Parkplätzen zwischen dem Hauptbahnhof und dem Lokalbahnhof (von TB und AB) bunt gemischt: Standard-, Gelenk- und auch Doppelstockbusse.

«Mein» Zug fährt ein, ich schieße ein paar Bilder, bevor ich einsteige; nett sehen die Züglein aus kurzgekuppeltem, jeweils vierachsigem Trieb- und Steuerwagen aus, aber ziemlich getroffen bin ich von der Existenz eines Raucherabteils in einem so kurzen Nahverkehrszug – es sollte nicht das letzte Mal sein, dass mich das befremdet. Pünktlich fährt der Zug ab, zunächst als Straßenbahn am Busbahnhof vor dem Hauptbahnhof vorbei durch die Straßen, behutsam zum Marktplatz. Eine sehr gut gemachte Haltestellenansage wird uns begleiten, lokal gefärbt, aber noch hochdeutsch. Bloß «Spisertor», die Haltestelle nach dem autoarmen und schön gestalteten Marktplatz, lässt sich auf hochdeutsch offenbar nicht vernünftig aussprechen, was die Tonbandstimme für Sekunden in fast schüchternen Dialekt abgleiten lässt. Die Gleise liegen hier an beiden Seiten der Straße, am Randstein, wie es inzwischen bei Straßenbahnen selten wurde. Hinter dem Spisertor folgt eine scharfe Linkskurve, und dann eine sehr steile Straße, die von einer S-Kurve eingeleitet wird. Ich wusste schon vorher, dass die Trogener Bahn die steilste Adhäsionsbahn der Schweiz ist, aber so starke Steigungen sind doch immer wieder beeindruckend.

Bis zur Haltestelle Schülerhaus liegen die Gleise in der Straße; hinter dieser Haltestelle, die mitten in der starken Steigung liegt, vereinigen sich die beiden straßenbündigen Gleise zu einer Einspurstrecke neben der Straße. Trotz einsetzenden Regens zieht der Zug kraftvoll an, die Motoren drehen sonor hoch – elektrische Traktion hat einfach etwas sehr Beeindruckendes, gerade auf Steilstrecken. Links öffnet sich ein grandioses Panorama, während die Garnitur schon stark beschleunigt hat – das erste Mal ein bisschen Kloß im Hals ob der Kombination Landschaft/Überlandbahn. Schnell wird die Gegend sehr einsam; die Haltestelle «Schwarzer Bären» ist mehr oder weniger nichts anderes als Wirtshausbedienung.

Weiter fährt die Garnitur steil bergan auf das Hochplateau des Appenzell; zügig und kraftvoll. Neben mir befinden sich nicht viele Fahrgäste im Zug; ich fahre ja gegen die Lastrichtung. Vor Speicher, dem wohl größten Ort en route, erreichen wir das Hochplateau; die Gegend wird bebauter, mit Häusern in einem ganz eigenen Stil, verschindelt, aber trotzdem hell angemalt. Speicher beherbergt nicht nur das Depot der Trogener Bahn, sondern auch einen feinen Bahnhof; nach Abwarten der Zugskreuzung geht es als «Interurban» am Rand der Straße weiter Richtung Trogen. Die Strecke ist nun geprägt von abwechselnd fallender und steigender Charakteristik, und bald folgt Trogen, wo die Strecke sehr abrupt bei der Ortseinfahrt endet. Ein paar Minuten bleiben Zeit bis zur Rückfahrt; Zeit für Fotos in durchaus malerischer Umgebung. Gemütlich läuft hier der Betrieb ab; der Fahrdienstleiter des Bahnhofes scheint manuell die Strecke freizuschalten.

Bei der Rückfahrt verschätze ich mich ein bisschen, was die Zugskreuzungen betrifft, steige in Rank aus, zu früh, um einen Gegenzug aufnehmen zu können – gen Trogen fahren die Züge nach 8 Uhr nur mehr alle 30 Minuten; in die Gegenrichtung gibt es etwas länger 15-Minuten-Takt. Ich beginne, im Nieselregen Richtung Schwarzer Bären zu spazieren, als ein einziehender Gegenzug von St. Gallen heraufgleitet; trotz der immer noch dunklen Stimmung versuche ich, ihn aufzunehmen. Bis zur Haltestelle Schwarzer Bären ist es nicht mehr weit; leider trifft mein Zug, nach St. Gallen fahrend, etwas früher ein als der Gegenzug, sodass sich hier keine Aufnahme mehr ausgeht. Die Garnitur, mit der ich nun nach St. Gallen zurück fahre, ist wesentlich voller als die vorher nach Trogen fahrende – eine gute Auslastung ist immer schön.

Appenzeller Bahn, Teil 1, und ein wenig St. Gallen

Wie schon erwähnt liegt die Abfahrtstelle der Trogener Bahn gleich neben der der Appenzeller Bahn (AB) – und auch der Anschluss «passt». Amüsiert bin ich vom Gleisreiniger, der in mühevoller Kleinarbeit Papierstückchen und sonstigen Abfall aus den Gleisen klaubt – hier inzwischen in dieser Form undenkbar, und erstaunlicherweise sollten mir solche Gleisreiniger noch öfter begegnen. Die Schweiz und ihr «sauberer» Ruf ;-) Jedenfalls steige ich in den bereitstehenden Triebwagen der dreiteiligen Pendelkomposition – in den Triebwagen deswegen, weil zur bevorstehenden Fahrt auch ein akustisches Erlebnis gehört: Ein paar Minuten danach fährt die Pendelgarnitur ab, neben den Gleisen der SBB entlang, um dann etwas abseits bis fast zum Stillstand abzubremsen. Klack-rums, und dann volle Beschleunigung: Die typische Prozedur einer Zahnradbahn-«Einfädelung». Toll, und noch toller: Die Garnitur surrt äußerst zügig die Steilstrecke zum Riethüsli hinauf, flott, wieder kraftvoll, sehr beeindruckend, dieses Erlebnis… Und ein Gedanke kommt mir, der mich noch so oft begleiten wird: Keine einmalige Sache ist das, auf den Bahnen, die ich befahren werde, sondern ein-, zweimal je Stunde und Richtung, wenn nicht noch öfter. «Nächster Halt auf Verlangen: Riethüsli» tönt es leicht lokal gefärbt aus dem Lautsprecher – eine feine «fahrergesprochene» Ansage, und jetzt weiß ich endlich, woher das bei uns in Österreich bis jetzt völlig unbekannte «Nächster Halt auf Verlangen»-Präfix der neuen Ansagen der Linzer Lokalbahn kommt, die ja unlängst Schweizer Stadler-Triebwägen erhielt…

Eine sehr, sehr enge und steile Linkskurve durch Grünland folgt, und danach wird es wieder städtischer: Riethüsli, ein Stadtteil St. Gallens ist erreicht, und die Bahn fädelt sich, direkt die Straße entlang fahrend, aus dem Zahnstangenabschnitt aus, um nach einer Straßenkreuzung die sehr schlichte Haltestelle Riethüsli zu erreichen, wo ich auch schon wieder aussteige. Zwei köstliche Croissants vom Bäcker neben der Bahn bilden mein Frühstück, direkt an der Trolleybusendstation der Linie 5 gelegen, deren Fahrdraht mich schon ein Stückchen bei der Bahnfahrt davor begleitete.

Zunächst aber widme ich mich dem Gegenzug der Appenzeller Bahn nach St. Gallen, den ich an der straßenbündigen Strecke aufnehme, bevor ein paar Fotos dem Trolleybus der Verkehrsbetriebe St. Gallen (VBSG) gewidmet werden, der hier in den Ferien seltsamerweise in der Frühspitze nur alle 15 Minuten, tagsüber aber alle 10 Minuten fährt. Das magere Intervall macht es leicht, gleich auf das nächste Paar von Zügen von und nach St. Gallen zu warten, eine halbe Stunde später – auch diese werden aufgenommen, gemeinsam mit dem faszinierenden Einfädel-Abschnitt der Zahnstange. Mit dem nächsten Obus geht's zurück Richtung Stadt – von St. Gallen wusste ich schon seit 10 Jahren von der Existenz schweizerdeutscher Haltestellenansagen, über die es 1992 einmal eine kurze Erwähnung in der Zeitschrift «Blickpunkt Straßenbahn» gab. Nett klingen sie, gut verständlich, sehr gut sogar, wie überhaupt die Leute in diesem Teil der Schweiz eine Mundart pflegen, die meinem Gehör äußerst entgegen kommt. Das Diktaphon surrt mit, ein paar Sound-Clips für das Tramwaycafé aufnehmend, und nach nur ein paar Minuten erreiche ich wieder den Hauptbahnhof, von wo es nach kurzem Rundumanschluss-Aufenthalt noch eine Haltestelle zum Blumenberg weitergeht, direkt neben dem schon oben erwähnten Marktplatz gelegen. Die ganze Obusfahrt begleiten mich schon Italiener, und es sollten nicht die letzten in St. Gallen sein – in der Stadt hört man viel klangvolles Italienisch; existiert dort ein Schwerpunkt italienischsprachiger Bevölkerung?

Der Marktplatz ist ein idealer Fotostandort; vieles an Verkehrsmitteln kommt hier durch, nur wenig gestört vom MIV. Eine wirklich gelungene Anlage mit einem großen Dach. Was ich vorher für eine schon enttäuschende Eintagsfliege hielt, wird hier offenbar zur Regelmäßigkeit: Alle Kurse der Linie 3, an sich Obuslinie, werden mit Dieselbussen geführt. Naja… Dafür fahren auf dem 1er, der stärksten St. Galler Trolleybuslinie, alle Kurse elektrisch, hauptsächlich mit den Trolleybussen neuerer Generation, allesamt in der St. Galler Farbgebung lackiert, die konservativ-elegant ist, nicht ohne einen Einschlag, der mir etwas «provinziell» vorkommt, aber sehr charmant. Ich möchte den Intercity um 10:11 nach Bern erreichen, und inzwischen ist es ¾10 Uhr, sodass ich mich aufmache, die zwei Haltestellen zum Bahnhof zu fahren; dort hole ich das Gepäck aus dem Schließfach, um in den bequemerweise schon am Hausbahnsteig bereitstehenden Intercity einzusteigen. Es ist ein Doppelstockzug, beeindruckend für sich, seltsamerweise mit Einflügeltüren (wie die Eurotrams etwa der Straßburger Tramway), und wieder ärgere ich mich über die Raucherabteile, die sich oben befinden, während das Nichtraucherabteil unten zu finden ist; wie ich erst in den nächsten Tagen feststelle, trifft dies aber nicht auf alle Wagen zu. Rings um den Zug, den ich betrete, herrscht ein fröhliches, buntes Mischmasch von Zügen anderer Verwaltungen; eine BT-Garnitur (nunmehr eigentlich SOB…) in ihrer schönen, zeitlosen, klassischen Farbgebung (dunkelgrün-crème) steht direkt neben einem Niederflurtriebwagen der MThB mit ihrer Vorliebe für, ähem, bunt-verspielt-fröhliche Farben.

Von St. Gallen nach Bern

Mit hervorragend gemachten automatischen Haltestellenansagen werden die Fahrgäste begrüsst; zunächst auf Deutsch, aber je nach Relation und Ort auch in anderen Sprachen – in Zürich gar auch in Englisch. Pünktlich fährt der Zug ab; der Zuglauf ist spannend: Bis Winterthur zahlreiche Aufenthalte in kleinen Orten, dann nur mehr Zürich-Flughafen und Zürich HB, und dann ohne Halt (nicht einmal in Aarau und Olten) bis Bern. Derlei «abgestufte» Auswahl von Haltebahnhöfen scheint in der Schweiz nicht unüblich zu sein – und bei den üblichen Zugsfolgen gar keine schlechte Idee. Wie auch immer, das WC «meines» Wagens scheint defekt; wieder einmal ein einziges für einen ganzen Doppelstockwagen. Ich vertraue den Mitreisenden des Wagens, lasse alles liegen und stehen, laufe in den Nachbarwaggon (Stiegen rauf, Stiegen runter) und erledige dort, was zu erledigen ist – gerade noch rechtzeitig vor der Einfahrt in Gossau, das sich mit langem, geschlossenen «o» ausspricht und also bei uns «Goßau» geschrieben würde… Dorthin werde ich zwei Tage später wiederkommen; jetzt geht es erst einmal weiter über Winterthur zum schönen, sterilen, aber sauberen und einer Weltstadt würdigen Tunnelbahnhof am Flughafen Zürich. Die folgende Einfahrt nach Zürich über Oerlikon und die lange, gebogene Brücke über die immensen Gleisanlagen ist wie immer beeindruckend, noch beeindruckender ist zu beobachten, wie gebaut und gebaut wird, die Gleisanlagen noch umfangreicher werden, jeder Millimeter Platz noch mehr ausgenützt wird. Rechts fällt mir ein (das?) Kummler+Matter-Haus auf – auch etwas, was dem nicht Bahninteressierten wohl entginge… Im Zürich HB ist kurzer Aufenthalt, Zeit genug, um aus dem Zug heraus Eindrücke aufzusaugen; links trifft es mich wie ein Donnerschlag: Auch in der Schweiz sind nun die Zuglaufschilder passé. Was für eine Enttäuschung, auch hier die dafür vorgesehenen Fächer an den Waggons leer zu sehen, verwaist, Zeichen für eine Bahn, die nicht mehr die Belange der Fahrgäste zu alleroberst reiht… Schmerzhaft bin ich an die ÖBB-Praxis erinnert, Fahrgastinformation «Zug um Zug» abzubauen. Rechts entschädigt dafür der Blick aus dem Zug Richtung Gessnerallee, wo gerade ein Tram2000 der Linie 10 einbiegt – Vorfreude auf drei Tage später kommt auf, auf einen Tag, der ganz Zürich gewidmet sein wird!

Nach Zürich fallen mir die Augen zu, die kurze Nacht und die vielen Erlebnisse des Vormittags lassen mich kurz einnicken; im Zug schläft es sich einfach am besten :-) Aber schon freue ich mich auf Bern, auf die Stadt in der Schweiz, die ich am besten kenne, die ich als am gemütlichsten in Erinnerung habe, und die ich immer als sehr gastfreundlich empfand. Dieses Mal soll der Aufenthalt nicht nur der Stadt Bern gewidmet sein, eher dem vom RBS bedienten Umland – der Swiss Pass ermöglicht auch und gerade solche Ausflüge ganz perfekt! Inzwischen ziehen Neubaustrecken an mir vorbei, offenbar Bestandteile der neu zu gestaltenden SBB-Magistrale zwischen den Metropolen Zürich und Bern. Pünktlich erreichen wir Bern; auch dort Baustelle allerorts. Der bis jetzt 60er-Jahre-Flair ausstrahlende Bahnhof wird modernisiert, sieht jetzt schon etwas weltstädtischer aus, stark frequentiert, übersichtlich, nicht gemütlich, aber zweckmäßig und sauber. Ich suche die Schließfächer, finde sie; der Preis dafür schockiert mich noch mehr als in St. Gallen: 5 Franken für ein kleines Fach, und das für 24 Stunden, das ist schon äußerst heftig für eine Art von Massendienstleistung, die kaum menschlichen (=teuren) Aufwandes bedarf.

Eine Rundfahrt mit dem RBS: Von Bern nach Worb…

Einen kurzen Blick werfe ich auf den Bubenbergplatz, direkt vor dem Bahnhof; viel hat sich nicht geändert: Immer noch ein dichter Betrieb von Tram, Trolleybus, Autobus – und viele, viele Fußgänger überall! Ein Dieselbus auf dem ansonsten elektrisch zu betreibenden 11er fällt mir auch gleich auf; es sollte nicht der letzte bleiben. Zurück im Bahnhof begebe ich mich zu einem der freundlich gestalteten kleinen Stände mit Nahrungsmitteln aller Art; ein «Pizzakuchen» mit Eistee, gar nicht einmal so extrem teuer, sollte eines der besten Essen der ganzen Reise bleiben: Hmmm! Ich werde das einmal daheim probieren; eine Art Quiche Lorraine mit pizzaartigem Belag. Oh, ich schweife vom Thema ab ;-) Der weitere Weg führt mich zum Tunnelbahnhof des Regionalverkehrs Bern-Solothurn (RBS), sprich, zu den Gleisen U21 bis U24: An die Sperrenanlagen «geschlossener» U-Bahn-Systeme erinnernde Bahnsteigtüren empfangen mich; wie ich später lesen werde, dienen diese zur Kanalisation aussteigender und einsteigender Fahrgäste im offenbar chronisch überlasteten RBS-Bahnhof. Kein Wunder, enden (und starten) hier doch vier Linien, drei davon mittlerweile im 15-Minuten-Takt, die vierte alle 30 Minuten, und das in der HVZ noch ergänzt durch Einschubkurse. Eine für klassische Überlandlokalbahnen geradezu unglaubliche Frequenz. Jetzt, gegen 13:00 an einem Ferientag, scheint es allerdings eher ruhig zuzugehen: Gelassen spaziere ich zu dem zur Abfahrt bereitstehenden Zug der Linie W, die ich einmal bis zum Verzweigebahnhof Worblaufen befahren möchte.

Nur ein paar Sekunden verspätet fährt die 70er-Jahre-Garnitur ab; durch einen Tunnel zunächst, dann durch eine Gallerie, die auch zwei Bahnhöfe umfasst, welche von unserem Kurs durchfahren werden: Nur die Züge der kurzen Linie Z halten in Bern-Tiefenau und Bern-Felsenau. Kalt und nackt sehen die Bahnhöfe aus, Produkte der 60er-Jahre offenbar, als die früher über die Straßen Berns (parallel zur Straßenbahn) ins Zentrum fahrenden Garnituren in den Tunnel verlegt wurden. Wir fahren rechts; erstaunlich für eine nicht mehr im Straßenbereich fahrende Bahn der sonst voll und ganz dem Linksverkehr auf der Bahn frönenden Schweiz – aber das ist wohl ein Relikt der früher noch «tramartigeren» Struktur des RBS. Wie auch immer, die Frequenz zwischen Bern und Worblaufen ist immens; wie ein Uhrwerk muss der Betrieb abgespult werden, damit keine Züge aufeinander auflaufen, noch dazu unter Berücksichtung der unterschiedlichen Halte. Worblaufen selbst ist ein Bahnhof mit sechs Bahnsteigkanten; je Zweig der RBS zwei separate. So halten auch alle Züge nach Bern je nach Herkunft an unterschiedlichen Bahnsteigen – ein aus der Wiener U-Strab bekanntes Problem. Aber hier gibt es einfach gestrickte Anzeigen, auf welchem Bahnsteig der nächste Zug nach Bern zu erwarten ist: (fast) quadratisch, praktisch, gut!

Die fast 15 Minuten Aufenthalt bis zum nächsten Zug der Linie Z vergehen schnell; noch bevor ich die Fotoausrüstung bereit habe, kommt eine Niederflurgarnitur der Linie SE einhergerauscht; diese in der Schweiz verbreiteten Niederflur-Kompositionen werden hier offenbar nur oder zumindest hauptsächlich auf der längsten RBS-Linie nach Solothurn eingesetzt, die ohne Halt zwischen Bern und Jegenstorf verkehrt. Aber von diesem Zug abgesehen komme ich gut und fein zum Fotographieren; Worblaufen ist dazu wie geschaffen. Schon kommt die nächste Komposition der Linie Z nach Unterzollikofen aus Bern; fotogen, aber in einem, ähem, den Augen nicht gerade schmeichelnden, das übliche Rot ersetzende Violett, das sich als eine Art Vollwerbung für eine Bank herausstellt. Ein Grund, die Aufnahmen schwarzweiß zu gestalten… Die Strecke nach Unterzollikofen ist kurz, eingleisig, und in klassischer Tradition einer Interurban neben dem Straßenrand gehalten; die Entstation Unterzollikofen selbst ist nichts als ein spontan endendes Stumpfgleis ohne Ausweiche; von hier ging es früher ein Stück weiter nach Zollikofen, das heute nur mehr von der Linie J bedient wird. Ein paar Minuten Aufenthalt werden für weitere Aufnahmen genützt; dann geht es zurück nach Worblaufen.

In Worblaufen ist der Anschluss zur Linie W nach Worb «schlank»; 5 Minuten sind gerade genug, um gemütlich durch die Unterführung zu schlendern, einen Blick auf die Zeitungen zu werfen und mich auf den richtigen Bahnsteig zu begeben. Eine der allgegenwärtigen 70er-Jahre-Kompositionen fährt ein; ich freue mich auf die Fahrt nach Worb. Der Zug ist gut gefüllt; zwar gibt's noch Sitzplätze, aber keine freien 4er-Abteile mehr. Ich setze mich in einem dazu, lasse die Gegend vorbeiziehen, die wir auf dem hervorragend gelegtem Dreischienengleis passieren. Bei der Papiermühle und in Bolligen passieren wir abgeschnittene Gütergleise; ein für die Schweiz ungewöhnlicher Anblick. Dafür erreichen wir vor Ittigen eine wunderbar geschwungene Doppelspurinsel – irgendwie erinnert mich das Flair dieses kurzen Abschnittes an die legendäre «Ideal Section» der letzten verbliebenen Interurban der USA, der South Shore Line südöstlich von Chicago. Ich steige in Ittigen aus, der Platz scheint mir sehr gut geeignet, um zu fotographieren; und in der Tat, die Aufnahmen werden sich auch als gelungen herausstellen. Mit der nächsten Komposition geht es weiter übers Land. Viele Streckenabschnitte wurden in den letzten Jahrzehnten begradigt oder erhielten ein zweites Gleis; geblieben ist allerdings die sehr nette Ortsdurchfahrt von Boll. Noch ein Stückchen fahre ich weiter; in Vechingen, der letzten Station vor Worb, steige ich noch einmal aus, um zu fotographieren: Wieder ein gut gewählter Ort! Dunkle Wolken ziehen im Osten auf, über Worb, sie bilden einen tollen Kontrast für die Aufnahmen in sanfter Landschaft. Die nächste Garnitur, wieder ¼ Stunde später, bringt mich dann nach Worb – auch dort ist der Bahnhof eine Baustelle.

… und mit dem «blauen Bähnli» zurück nach Bern

Siebzehn Minuten Aufenthalt sollte ich in Worb haben, doch noch während ich gemütlich den Bahnhof entlang schlendere, fährt schon eine der mir so gut gefallenden, an das Zürcher Tram 2000 angelehnten Garnituren der Linie G des RBS ein. Hmmm, so lange Wendezeit bei 20-Minuten-Takt, das würde mich schon wundern. Egal, ich mache ein paar Aufnahmen vom Wagen, außen und vom eleganten Inneren, das ein schönes «Langstrecken»-Mittelteil ohne Türe aufweist. Gegen 14:31, 10 Minuten vor Planabfahrt, erweckt der Fahrer den Eindruck, abfahren zu wollen – und in der Tat, genau «zwischen den Plankursen» geht es los. Ein Einschubkurs? Wie auch immer, malerisch geht die Fahrt über Felder bergan, bevor wir eine Straße erreichen, die uns bis Gümligen – dem großen Bahnhof inmitten der Strecke – begleiten wird. Wieder an klassische Interurbans erinnernd geht die Fahrt zügig voran, an manchen Abschnitten um einiges flotter als auf der (geschwindigkeitsbeschränkten) Begleitstraße. Eine wunderbare Fahrt, vorbei an kleinen Haltestellen, die teilweise in voller Geschwindigkeit durchfahren werden: Zum ersten Mal auf dieser Reise erlebe ich das Schweizer Prinzip des Haltes auf Verlangen auch in der Praxis umgesetzt. Die Strecke ist einspurig mit Ausweichen, die zahlreich benützt werden: Offenbar wird die Strecke entgegen meiner Fahrpläne auch im «Frühnachmittagsloch» im (wunderbaren) 10-Minuten-Takt betrieben. Schnell vergeht die Fahrt bis Gümligen, wo ich aussteige; der Wagen 84, den ich verlasse, fährt weiter Richtung Bern.

Es ist wieder Zeit für Fotos, digital und analog – aber ich beginne ein wenig an meinem geistigen Zustand zu zweifeln, als knapp 10 Minuten später der Wagen 84 aus Bern zurückkommt. Habe ich zu wenig geschlafen? Bin ich reif für eine Pause? Mit der nächsten Garnitur fahre ich weiter Richtung Bern, und beim nächsten Halt in Melchenbühl, gleich nach der langen Brücke über die SBB-Strecke, lösen sich alle Rätsel auf: Endstation, Schienenersatzverkehr nach Bern, noch vor Erreichen Melchenbühls vom Fahrer durchgesagt. Ooooh, wie bin ich enttäuscht – offenbar wird gerade der «Hüsistutz», ein malerisches Stückchen Überlandbahn, ausgebaut; genau der Abschnitt, den ich eigentlich hauptsächlich fotographieren wollte. Ich überlege, ob ich noch eine Melchenbühler Aufnahme machen soll, aber von gequält geschossenen Fotos hat keiner was, also begebe ich mich in den bereitstehenden Bus. Dieser fährt ein Stückchen gegen die Richtung, von der ich sicher bin, dass dort Bern liegen müsste (schon wieder Schlafmangelfehlleistung von mir?) – um dann über eine temporär mit Halteverbot versehenen Asphaltfläche zu wenden und nun doch Bern entgegenzustreben. Es ist keine weite Strecke, bis wir Egghölzli erreichen, dem Verknüpfungspunkt der Berner Tramlinie 3 mit der RBS-Linie G – der Fahrer sagt noch durch, dass man dort aussteigen möge, um mit einem «Shuttlebus» nach Muri zu gelangen, das von unserem Bus nicht bedient wird, aber ich steige aus einem anderen Grund aus, ist doch die einzige völlig straßenunabhängige Tramstrecke Berns hier zu finden.

Bern von Ost nach West

Der Bus hält direkt in der Straßenbahnhaltestelle Egghölzli, gleich gegenüber einer gerade eingefahrenen Straßenbahngarnitur der Bernmobil, die ich nach kurzem Sprint auch erreiche – von hier führt die 1973 eröffnete, stadtbahnartige Tramstrecke über 2 Haltestellen nach Saali, einem damals entstandenen Neubauviertel, das (in Kombination mit einer weiteren Tramverlängerung) noch größer hätte werden sollen, worauf wohl auch die Anlage der Schleife Saali hindeutet, die wir nach kurzer Fahrt erreichen. Ich fahre mit einem der Hochflur-Gelenktrams, die angeblich wegen ihrer steilen Einstiege unbeliebt sein sollen… Mir gefallen diese Fahrzeuge ganz gut, sie sind bern-typische Zeitzeugen der 70er-Jahre, als bei uns in Österreich Düwag omnipräsent war. «Meine» Garnitur ist voll verworben, aber es sollte die einzige für den Tag bleiben. Über der 1. Tür steht ein hübsches Schild: «Es ist unklug, während der Fahrt mit dem Wagenführer zu sprechen.» Das ist nett! Links vorne befindet sich nun ein Haltestellendisplay, und eine von Lokalkolorit angehauchte weibliche Stimme kündigt nun die Haltestellen an, leider etwas knapp, aber ansonsten gut gelungen. Von der Schleife Saali begebe ich mich fotographierenderweise zurück zur Haltestelle Egghölzli, und sogleich kommt einer der Berner Niederflurwagen heran. Er trägt das neue, rote Farbkleid von Bernmobil; gewöhnungsbedürftig ist es ganz sicher, aber es gefällt mir von Stunde zu Stunde besser. Unglaublich, wie verändert das «Gesicht» gerade der Niederflurwägen mit dem neuen Farbschema aussieht… Vom Egghölzli Richtung Stadt bringt mich wieder ein Hochflurgelenkwagen; bei der Brunnadernstraße steige ich aus, um mir die letzte mir noch unbekannte Tramstrecke Berns anzusehen: Den kurzen Abschnitt Burgernziel–Ostring.

Ein 5er muss mir gerade davongefahren sein – kein Problem bei dem auch in den Ferien dichten 7½-Minuten-Takt in Bern. Ich werfe einen Blick ins Depot Burgernziel (dessen Name, von der Ansagendame mit zwei rollenden Zungenspitzen-R ausgesprochen, doppelt harmonisch klingt…), als vom Ostring her einer der so klassischen Schweizer «Standardzüge» daherkommt – gerade noch rechtzeitig packe ich die Kamera aus; ich hatte gar nicht mehr damit gerechnet, eine dieser Garnituren zu sehen. Nicht lange danach kommt auch schon ein (wieder roter) Niederflurwagen aus der Stadt, der mich zum Ostring bringen wird; leicht verspätet, und also «spitz» fahrend. Die Fahrt in dem Niederflurwagen schockiert mich: Zu Zeiten, als meine Trambegeisterung noch nicht die von heute war, vor 12 Jahren vielleicht, fuhr ich das erste Mal «unvoreingenommen» mit diesem Wagentyp, einem der ältesten Niederflurwagen überhaupt, und hielt von da an das Prinzip Niederflur für das natürlichste der Welt. Und wieder ist die von mir nun viel kritischer beurteilte Fahrt völlig frei von all den Mätzchen, die man hierzulande mit Niederflurtypen in Verbindung bringt. Um Gottes Willen, was haben bloß all die Niederflurwagen-Ingenieure in den letzten 10 Jahren angerichtet? Ein Blick nach Bern hätte genügt, um einen tadellosen, fertigen, bewährten und schönen Wagentyp, noch dazu in Meterspur, zu sehen und zu kaufen.

Schön ist das umfassend vorhandene und auch präsente Metall, schön sind die zahlreichen Stangen im Wagen, und typisch für die Schweiz sind die (im Gegensatz zu unserer Praxis aufgehängten) Tafeln, auf denen für alles mögliche geworben wird. Nicht weit ist es zum Ostring, und wie ich schon hörte, liegt die Schleife wirklich unter einer an Hässlichkeit kaum zu überbietenden Autobahnbrücke samt Auf- und Abfahrt. Der 5er fährt umgehend wieder los, ich werfe einen Blick auf die zahlreichen Abstellgleise und auf die schönen Häuser, die die Tramstrecke Richtung Stadt säumen. Nicht lange dauert es, bis der nächste 5er daherbraust, eine schnelle Aufnahme, und weiter geht es Richtung Stadt. Dunkel ist es inzwischen geworden, draußen, und in der Thunstraße öffnet der Himmel alle Schleusen: Ein Wolkenbruch, wie ich ihn lange nicht mehr erlebte, ergießt sich über Bern. Die Garnitur füllt sich, mit durchnässten Leuten, wir erreichen die so schöne Innenstadtdurchfahrt, wo wir von den Tramlinien 3 und 9 sowie vom Trolleybus der Linie 12 begleitet werden. Unter Einbeziehung der Wetterlage fällt mein Entschluss leicht, mir gleich den Ast zum Fischermätteli anzusehen – dazu brauche ich nämlich nur in der Straßenbahn sitzenzubleiben :-) Am Bahnhof folgt eine längere Haltestellenansage, dass man dort in alle Richtungen umsteigen könne, und dass der Zug Richtung Fischermätteli weiterführe – ein passender Zusatz für all die Verkehrsbetriebe mittelgroßer Städte, die sehr stark auf einen zentralen Umsteigepunkt ausgerichtet sind.

Schon um 1990 herum fuhr ich einmal zum Fischermätteli hinauf, aber die Erinnerung daran war vollständig verblasst; an den ganz beachtlichen Steigungsabschnitt zur Haltestelle Pestalozzi kann ich mich überhaupt nicht erinnern, erst in der Schleife Fischermätteli dämmert es dunkel, dass ich da schon einmal war. Der Ast ist erstaunlich gut ausgelastet, wenn man bedenkt, dass er stilllegungsgefährdet ist, im Zusammenhang mit dem Tram Bern West und der Erschließung Köniz… Es ist ein schönes Stückchen Straßenbahn, im engeren Sinne, auf der Straße, noch dazu in Alleen. Der Wolkenbruch hat inzwischen nachgelassen; als ich in der Schleife Fischermätteli aussteige, nieselt es nur mehr. In der Schleife selbst ist es schwer möglich, Tramfotos zu machen, sieht man von den interessanten Abstellgleisen ab; so begebe ich mich zurück zur vorletzten Haltestelle Munziker, wo ich auf den Folgezug warte – auf einen der Standardzüge, die «meinem» Kurs folgen müssen. Und schon kommt einer, fotogen, und wieder einmal gepflegt, als ob es eine Modellbahngarnitur wäre. Unglaublich, in welch gutem Zustand alte Schienenfahrzeuge in der Schweiz sind. Hier also ein, zwei Aufnahmen gemacht, und dann weiter zur Station Pestalozzi, wo ein weiterer Standardzug aus der Stadt heraufkommt. Wunderbar!

Nicht nur Tram, auch Trolleybus

Mit dem ersten der vorher aufgenommenen Standardzüge – es ist inzwischen ¼5 Uhr – fahre ich hinunter zum Brunnhof; schön sind die Garnituren auch innen, bestens gepflegt, und hergerichtet. Auch die alten Wägen sind mit Haltestellenansagen ausgerüstet worden, allerdings nicht mit Displays; ob diese optisch in einen solchen Wagen passen würden, wage ich ohnehin zu bezweifeln… Aber darauf soll's natürlich nicht unbedingt ankommen. Wie auch immer, ich möchte mir noch die Trolleybuslinien Richtung Ausserholligen ansehen, die Kandidaten auf die Umstellung auf Trambetrieb sind: Der 13er und 14er fahren jeweils im 6-Minuten-Takt und sind in der Hauptverkehrszeit ergänzt durch Eilbuslinien im jeweils denselben Takt. Alle 90 Sekunden fährt also im Durchschnitt ein Bus über die lange gemeinsame Strecke, perfekt geeignet, um dort eine Straßenbahn hinzulegen. So steige ich an der Haltestelle Brunnhof aus, die nahe der Trolleybus-Station Brunnmatt liegt, zunächst um einen Blick auf die von Westen kommenden Trolleybusse zu werfen. Die neue Trolleybusgeneration, die erst in den letzten Jahren angeschafft wurde, macht äußerlich einen sehr freundlichen, klassisch-eleganten Eindruck, ganz anders als die Basler Swisstrolleys, deren erste Modelle nun auch schon an die 10 Jahre alt sind – wie die Zeit vergeht… Ich freue mich auf die Fahrt mit einem der neuen Berner Trolleybusse, gehe in die Parallelstraße, wo die Haltestelle der westwärts fahrenden Linien liegt, und nach ein, zwei Fotos steige ich in den nächsten Trolleybus der Linie 14 ein, um zunächst bis Ausserholligen zu fahren. Auch innen sind die Trolleybusse gelungen gestaltet, aufgeräumter als das, was man in den letzten Jahren so vorgesetzt bekam, und wieder einmal ist es beeindruckend, was ein Elektromotor an akustischer Kulisse (leise, leise…) wie auch an Beschleunigungsvermögen, Kraft und nur von den Schuhen der Trolleystangen zart zischelndem leisen Gleiten bieten kann.

In Ausserholligen, einer gar unhübschen Haltestelle unter einer der so abgrundtief hässlichen Stelzenautobahnbrücken verlasse ich den 14er, um mit dem 13er gen Bümpliz weiterzufahren. Und ich frage mich, ob Bern-West ein eher gutes oder eher schlechtes Quartier Berns ist – auf alle Fälle ist's ein sehr heterogenes. Wie auch immer, schon kommt der 13er, und die genialste Ausfädelung einer Bustrasse, die mir jemals untergekommen ist, wartet auf mich; nächst der Haltestelle Unterführung fahren wir ampelgesteuert irgendwie gegen jeden regulären Straßenverkehr. Das ist sehr gelungen. Bald darauf fällt mir im Ortskern von Bümpliz das wunderschön gestaltete Begegnungszentrum Bienzgut positiv auf. Ich möchte bis zu dem Stückchen mitfahren, wo der 13er im Richtungsverkehr durch Parallelstraßen betrieben wird, aber da muss sich etwas geändert haben: Bis zur Endstation Bümpliz begleiten uns die Fahrdrähte der Gegenrichtung. Tja, schon an der Endstation angelangt, mache ich halt dort die eine oder andere Aufnahme – und fahre mit dem Eilbus zurück in die Stadt; wann bin ich das letzte Mal mit einem Eilkurs gefahren? Natürlich auf der Straßenbahn in Karlsruhe :-) Der Eilbus bringt mich bis zum Hauptbahnhof; dort verschiebe ich spontan meine Abfahrt Richtung Fiesch um eine weitere Stunde.

Zum Bärengraben und darüber hinaus

Der 12er-Trolleybus fehlt mir nun noch in meiner Sammlung; die Linie, die als einzige die Innenstadt in ihrer gesamten Länge durchquert, um hinter dem berühmten Bärengraben eine Steilstrecke hinaufzusurren. Bis zum Bärengraben kam ich schon, natürlich, in früheren Zeiten, aber dennoch ist die Fahrt eines spurungebundenen Verkehrsmittels durch die Massen von Fußgängern der Innenstadt ein Ereignis für sich. Geduldig und doch zügig bewegt der Fahrer sein schweres, aber durch den Elektromotor im untersten Geschwindigkeitsbereich so geschmeidiges Fahrzeug durch die Leut'. Am Bärengraben Massen von Touristen, nein danke, das sehe ich mir lieber in der Nebensaison an, und mir ist's ja danach, weiterzufahren; die Charakteristik der Strecke ändert sich schlagartig: Zur Haltestelle Liebegg hinauf befahren wir eine Steilstrecke mit einer engen Serpentine, flott und stark, wie es sich für einen Trolleybus gehört. Von dort an befinden wir uns in einem ruhigen Quartier oberhalb der Stadt; nicht mehr weit ist es zur schön gelegenen Endstation Schosshalde. Dort ist wieder Zeit für die eine oder andere Aufnahme, bevor ich die daneben gelegene Telefonzelle frequentiere: 50 Rappen Verbindungsentgelt, aber danach nur mehr vernachlässigbare Kosten, das nenne ich leistungsorientierte Bezahlung; ich sollte mit weit weniger als 10 Franken Telefongeld durch die ganze Woche kommen. Wenn ich daran denke, was das noch vor 10 Jahren gekostet hat…

Mit dem nächsten 12er-Kurs fahre ich zurück – und auf dem Weg zur Haltestelle Liebegg kommen mir ein Trolleybus der 1985er-Generation in rot und der Trolleybus Nummer 1 entgegen, übrigens wie offenbar alle der neuesten Generation im klassischen grün-crème gehalten. Beide wollen von mir fotographiert werden ;-) So spaziere ich hinunter Richtung Bärengraben, mache ein paar Aufnahmen mit der hier so beeindruckenden Aussicht auf die Stadt, als mich jemand auf französisch anspricht, wo er denn die Schosshaldenstrasse Nummer sowieso fände. Tja, kurzes Nachdenken, und dann ist's klar, wo er hin muss: In einer fremden Stadt auf französisch Auskunft zu geben, das erfüllt mich mit gewissem Stolz. Nicht lange danach kommt der 1985er-Volvo-Trolleybus nach; und den mit der Nummer 1 verpasse ich fast, denn zum Bärengraben hinunter kann ich kaum von der Aussicht auf die Stadt lassen.

Die Zeit schreitet weiter fort, es ist etwa ¾6 Uhr, und um 18:22 fährt mein Zug Richtung Brig ab: So steige ich in den nächsten 12er, begleitet von Touristenhorden, fahre bis zum Bärenplatz, eine Haltestelle vor dem Hauptbahnhof, wo ich noch ein schönes Innenstadtfoto machen möchte – dies misslingt, denn es beginnt wieder stark zu regnen. So fahre ich etwas missmutig mit dem gerade eintreffenden Niederflurwagen der Linie 5 die eine Haltestelle zum Bahnhof, wo ich mein Gepäck abhole. Die Massen von Leuten beeindrucken mich, Leute überall, Züge überall, alles fließt, alles bewegt sich, gelassener Trubel, Japan kann nicht sehr viel anders sein. Der Bahnsteig «meines» Zuges, der aus Hamburg kommt, ist richtig voll von Leuten, ich gehe nach einem Blick auf den Wagenstandsanzeiger fast ganz nach vorn – dort ist es etwas ruhiger, und auch in mir kehrt ein wenig Ruhe ein, gelassen sehe ich dem Trubel zu, fühle mich an die untere Schleife Schottentor in Wien erinnert. Schön ist das, wie das Verkehrsmittel Bahn schnell, effizient, bequem und doch gemütlich Menschen in unglaublicher Anzahl transportieren kann.

… und jetzt ins hochalpine Land

Der EC 109, mit dem ich nach Brig fahre, ist bei der Ankunft in Bern bestens gefüllt; Gott sei Dank steigen zahlreiche Fahrgäste aus, und bei der beachtlichen Zuglänge ist schön viel Platz für die Fahrt nach Brig, der Endstation dieses Zuges. Nach Bern überfällt mich Müdigkeit, fallen mir zunächst nur mehr die Wohnklötze Ostermundigens auf: Dorthin wäre ein Tram wohl auch schön! Meine Sitznachbarin lernt Schweizer Strafrecht, was mich daran erinnert, mich einmal mit dieser Materie zu beschäftigen… Die Landschaft wird langsam rauher, die Berge höher, die Täler enger, rechter Hand passieren wir die Niesenbahn, ein Klassiker Schweizer Bergbahnen, bevor die Autoverladwagen daran erinnern, dass wir gleich den langen Lötschbergtunnel erreichen, und gleich danach den letzten Höhepunkt des Tages: Hoch, sehr hoch über dem Rhônetal münden die Gleise in selbiges ein; was für eine Landschaft, was für eine Aussicht, ich kann die Augen kaum davon lassen! Wir nähern uns einem großen Ort, von dem ich zunächst annehme, dass es schon Brig sein müsste, und ich denke mir, dass wir da noch sehr viel Höhenunterschied zu bewältigen haben – aber es sollte sich erst als Visp herausstellen, viel Industrie, und die seltsame Situation, direkt an der Lötschbergbahn, aber viele hundert Höhenmeter darunter zu liegen. Dennoch ist Visp gut mit der Bahn erschlossen; die SBB-Magistrale Richtung Sion führt durch, wie auch die meterspurige Zermattbahn. Wie bei einem Landeanflug mit einem Flugzeug nähern wir uns nun Brig, die Objekte des Tales werden klarer erkennbar, die Gleisanlagen der Brig-Visp-Zermatt-Bahn (BVZ) wie dann auch der Furka-Oberalp-Bahn (FO) machen Appetit auf die nächsten Touren mit Meterspurbahnen.

Brig ist pünktlichst erreicht, es ist 20:00, 14 Minuten Übergang zum Postauto nach Fiesch, das im Abendverkehr die letzten Züge der Furka-Oberalp-Bahn ersetzt. Hübsch liegen die Gleisanlagen der hier endenden Meterspurbahnen vor dem eigentlichen Bahnhof; gerade kommt ein Zug der BVZ herein, und gleich danach «mein» Postautokurs auf dem richtigen, auf der Straße eingezeichneten «Busperron». Die Postkurse werden von einer großen Anzeigetafel angekündigt, sehr nett für Ortsunkundige wie mich – schnell den Swiss Pass vorgezeigt, einsteigen, bald geht es ab nach Fiesch. Ich versuche der Bahnstrecke zu folgen, wundere mich über die von Westen her kommende Einfädelung der eigentlich gen Osten strebenden FO-Strecke. Die Unterhaltung der Leute rund um mich macht mich wieder zweifeln, was meine schweizerdeutschen Kenntnisse betrifft: So gut die Leute im Appenzell verständlich waren, so wenig erinnert das, was hier im Oberwallis gesprochen wird, überhaupt an deutsch… Wie auch immer, in Mörel steigen viele Fahrgäste aus, jetzt ist's nicht mehr weit nach Fiesch, allerdings nicht ohne beeindruckende Bergbahnen zu passieren, von denen so manche auch zu dieser abendlichen Stunde in anders nicht erreichbare Bergorte und -örtlein bringt. Vor Fiesch freue ich mich noch, einen Blick auf einen Kehrtunnel der FO samt Zahnstangenabschnitt bewundern zu können: Was für eine Vorfreude auf den nächsten Tag. Fiesch ist erreicht: Mein Gastgeber holt mich ab, und nach einem kurzen, guten Abendessen samt netter Plauderei über den Tag begebe ich mich noch wie in Trance ins Bad und falle in einen tiefen, traumlosen Schlaf.